Betreuung oder Pflege?

Care-Migrantinnen und Care-Migranten betreuen betagte Personen, deren Bedarf an Unterstützung in der Regel zunimmt. Was, wenn Betreuung nicht mehr ausreicht und Pflege nötig ist? Fachspezialistin Olga Hürlimann erklärt anhand von alltäglichen Beispielen.

 

 

 


Olga Hürlimann
, Fachspezialistin Pflege ambulant, Department Gesundheit und Soziales Kanton Aargau

Ältere und betagte Menschen haben zunehmend das Bedürfnis, möglichst lange in den angestammten Wohnverhältnissen zu verbleiben. In Situationen, in denen das Leben zuhause und die Gestaltung des Alltags mit den damit einhergehenden Verrichtungen nicht mehr ganz selbstständig zu bewältigen sind, etablieren sich zunehmend Unterstützungsformen wie etwa die Anstellung von sogenannten Care-Migrantinnen und Care-Migranten. Immer wieder stellt sich bei einem solchen Arrangement die Frage nach der Abgrenzung zwischen Betreuung und Pflege. Pflegerische Verrichtungen sind in allen Kantonen der Schweiz speziell dafür ausgebildetem Personal vorbehalten. Betreuende Verrichtungen, die eigentlichen Aufgaben der Care-Migrantinnen und Care-Migranten, sind dagegen nicht bewilligungspflichtig.

In der Realität stellt sich die Situation häufig so dar, dass die Anstellung von Care-Migrantinnen und Care-Migranten in Situationen erfolgt, in denen Angehörige oder Zugehörige aus beruflichen, persönlichen oder geographischen Gründen keine oder nur wenige unterstützende und betreuende Aufgaben wahrnehmen können oder wollen. Erfahrungsgemäss verändern sich die Bedürfnisse nach Betreuung der betagten Klientschaft schleichend. Während zum Beispiel zu Betreuungsbeginn eine betagte Person ausschliesslich Hilfe beim Zubereiten der Mahlzeiten sowie für Spaziergänge und zur Aufrechterhaltung der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben benötigt, kann es sein, dass plötzlich zusätzlich Medikamente gerichtet und verabreicht oder nach einer Augenoperation regelmässig Augentropfen appliziert werden müssen. Während die ersteren Aufgaben als Betreuung gelten und durch eine Person ohne pflegerische Ausbildung erbracht werden dürfen, sehen alle Kantone der Schweiz in ihren Pflegegesetzen und Pflegeverordnungen vor, dass für konkret pflegerische Verrichtungen (wie zum Beispiel Medikamente richten und verabreichen oder Augentropfen applizieren) eine explizite Zulassung der ausführenden Person vorzuliegen hat.

Care-Migrantinnen und Care-Migranten verfügen zwar häufig über eine Ausbildung, welche sie in ihrem Herkunftsland absolviert haben. Diese Abschlüsse betreffen aber häufig nicht den Pflegebereich. Es ist einer Care-Migrantin oder einem Care-Migranten ohne das Vorliegen einer speziellen Zulassung nicht erlaubt, pflegerische Verrichtungen auszuführen oder solche für Dritte, also Agenturen, zu erbringen. Das heisst konkret, dass Personen, welche in fachlich selbständiger Weise von einem Arzt oder einer Ärztin angeordnete pflegerische Verrichtungen erbringen wollen, vorgängig eine Zulassung, also eine sogenannte Berufsausübungsbewilligung vom Kanton benötigen, in welchem sie tätig sein möchten. Voraussetzung zur Erlangung einer solchen Bewilligung ist eine Ausbildung als Pflegefachperson HF oder FH oder die Anerkennung eines im Ausland erworbenen Diploms, welches das Schweizerische Rote Kreuz als einem schweizerischen Bildungsabschluss gleichwertig anerkennt. In einzelnen Kantonen ist das Erbringen einfacher grundpflegerischer Verrichtungen wie Kompressionsstrümpfe anlegen, Teilkörperpflege (zum Beispiel Rücken waschen oder eincremen) oder die Hilfe beim An- und Auskleiden durch eine Care-Migrantin oder einen Care-Migranten ohne pflegerische Ausbildung im Rahmen des jeweiligen Einsatzes erlaubt. Das ist jedoch nicht in allen Kantonen der Fall.

Zum Schutz der Klientinnen und Klienten, aber auch der Arbeitgebenden sowie der Care-Migrantinnen und Care-Migranten, empfiehlt es sich daher, sich vorab über die geltenden kantonalen Bedingungen kundig zu machen. Wenn nötig sollte rechtzeitig eine Spitexorganisation oder eine zugelassene freiberufliche Pflegefachperson für die bewilligungspflichtigen Verrichtungen wie zum Beispiel Messung der Vitalzeichen (Puls, Blutdruck, Temperatur, Atem, Gewicht) oder die Vorbereitung und Verabreichung von Medikamenten sowie die Dokumentation der damit verbundenen Tätigkeiten zugezogen werden. Bestehen Arbeitgebende auf das Erbringen von pflegerischen Leistungen, für die Care-Migrantinnen und Care-Migranten nicht die nötigen beruflichen Qualifikationen mitbringen, können letztere in eine heikle Situation betreffend Loyalität gegenüber der zu betreuenden Person geraten. Gleichzeitig können sich auch Arbeitgebende strafbar machen, wenn ihre Angestellten über keine entsprechenden kantonalen Zulassungen verfügen.

Für weiterführende Auskünfte stehen Ihnen die kantonalen Gesundheitsdepartemente sowie die Migrationsämter zur Verfügung.



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