«In einem Haushalt hast du einfach lieber eine Frau»
Laura Andreoli untersucht in ihrer Masterarbeit die Wahrnehmung der 24h-Betreuung aus der Sicht von Angehörigen betreuungsbedürftiger, älterer Menschen. In persönlichen Interviews sprechen Angehörige über die Care-Arbeit, die Arbeitsbedingungen und Entlöhnung der Care-ArbeiterInnen und über ihre Rolle als ArbeitgeberInnen. Frau Andreoli berichtet.
Laura Andreoli,
Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Rütter Soceco AG
Die Angehörigen von betreuungsbedürftigen Personen sehen Frauen besser für die Care-Arbeit im Privathaushalt geeignet. Oft nehmen sie an, dass eine Frau einen Haushalt führte und Kinder erzog: «Sie haben selber einen Haushalt zu Hause, sie haben Kinder, die wissen wie ein Haushalt läuft …. » (Interview 7). Andererseits werden spezifische Fähigkeiten dem weiblichen Geschlecht zugeschrieben: «… Und das Umsorgen ist, glaube ich, der Frau ein wenig besser gegeben als den Männern.» (Interview 2).
Meine Masterarbeit zeigt, dass die Angehörigen ein vergeschlechtlichtes Bild der Haus- und Sorgearbeit haben: Care-Arbeit wird als Frauenarbeit wahrgenommen. Es ist eine Arbeit, die den Frauen sozusagen von Natur aus gegeben ist und bei der das Erlernen von Fähigkeiten nicht nötig scheint. Sie gilt als selbstverständlich und im Privatbereich unentgeltlich von Frauen zu erledigen.
Bei der Ausgestaltung der Betreuungsarrangements, wie die Regelung von Arbeitszeit, Freizeit und der Entlöhnung gibt es zwischen den Haushalten Unterschiede. Den Aussagen ist jedoch gemeinsam, dass die Angehörigen die Arbeit in einem 24h-Betreuungssetting als streng, anspruchsvoll und psychisch belastend beschreiben. Es wird deutlich, dass sie die Arbeit der Betreuungspersonen sehr wertschätzen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Entlöhnung der Care-Arbeit widersprüchlich, denn die monetäre Wertschätzung der Arbeit ist gering. Die Mehrheit der Angehörigen bewerten den Lohn für die 24h-Betreuung als tief. Sie legitimieren ihn aber, indem sie ihn am Lohniveau des Herkunftslands der Betreuerinnen messen: «Für Schweizer Verhältnisse ist er nicht so toll. Für .. die Ortschaften, woher diese Personen kommen, ist er sehr gut.» (Interview 2). Hier stellt sich die Frage, ob der monetäre Wert der Care-Arbeit höher wäre, würde ihr das Bild der unentgeltlichen Frauenarbeit nicht anhaften und das tiefe Lohnniveau in den Herkunftsländern nicht mitschwingen?
Die Bevölkerung in den industrialisierten Gesellschaften wird immer älter und die Zahl an betreuungs- und pflegebedürftigen Menschen nimmt zu. Ich finde es wichtig, dass eine vertiefte politische Diskussion stattfindet, die sich dieser Form der Betreuung annimmt. Ich erachte es als sinnvoll, dass eine Grundlage erarbeitet wird, welche sowohl die Perspektive der Care-ArbeiterInnen als auch die der Privathaushalte als ArbeitgeberInnen berücksichtigt. Einerseits um die Gefahr vor wirtschaftlicher Ausbeutung sowie physischer und psychischer Belastung der Care-ArbeiterInnen zu minimieren, andererseits um die Anstellungsprozesse für die Privathaushalte zu regeln. Damit die 24h-Betreuung in Schweizer Privathaushalte eine nachhaltige Form sein kann.