«Kontrollen erfolgen hauptsächlich schriftlich»
Der Bundesrat will Privathaushalte nicht dem Arbeitsgesetz unterstellen. Damit fehlen die rechtlichen Grundlagen für Kontrollen in Privathaushalten. Zuständig für den Vollzug von Gesetzen und Verordnungen sind die kantonalen Arbeitsinspektorate. CareInfo wollte wissen, wie gross heute deren Handlungsspielraum im Hauswirtschaftssektor ist. Marcel Gabathuler, Leiter des Arbeitsinspektorats des Kantons Appenzell Ausserrhoden, gibt Auskunft.
Marcel Gabathuler,
Leiter Arbeitsinspektorat, Amt für Wirtschaft und Arbeit,
Appenzell Ausserrhoden
Was sind Ihre zentralen Aufgaben in Bezug auf den Hauswirtschaftssektor?
Für Haushaltshilfen ist ein Mindestlohn gemäss Normalarbeitsvertrag (NAV Hauswirtschaft) vorgeschrieben. Unsere Aufgabe liegt darin, im Auftrag der kantonalen tripartiten Kommission (TPK) im Rahmen der Arbeitsmarktbeobachtung zu kontrollieren, ob der Mindestlohn eingehalten wird. Als Kontrollbehörde gemäss Bundesgesetz gegen die Schwarzarbeit (BGSA) überprüfen wir anlässlich der TPK Kontrollen zugleich, ob unter anderem die gesetzlichen Sozialversicherungen und Steuern (z.B. AHV, UVG, Quellensteuer) ordnungsgemäss abgerechnet werden.
Sie bearbeiten die Meldungen für kurzfristige Erwerbstätigkeit in der Schweiz. In diesem Verfahren werden Arbeitnehmende in der Hauswirtschaft erfasst. Wie haben sich diese Meldungen in den letzten Jahren entwickelt?
Eine Zunahme der Meldungen im Bereich Hauswirtschaft für die Kantone Appenzell AR und IR konnten wir ab dem Jahr 2010 feststellen. Derzeit stagnieren die Zahlen. In den Jahren 2010 bis 2014 erhielten wir gelegentlich Meldungen für Betreuungspersonal durch Betriebe oder selbständig Erwerbstätigen aus dem EU-Raum. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen – verbotener Personalverleih vom Ausland in die Schweiz und Scheinselbständigkeit – wurden diese Meldungen aber nicht akzeptiert. Ob deshalb von einem Rückgang der Nachfrage nach einer 24h-Betreuung gesprochen werden kann, können wir aber aufgrund fehlender Datenbasis nicht beurteilen. Wir gehen von einer nicht bezifferbaren Dunkelziffer aus.
In welchen Fällen werden Sie heute als Arbeitsinspektor in der Hauswirtschaftsbranche aktiv?
Häufig werden wir direkt aufgrund einer Meldung aus dem Meldeverfahren aktiv oder wir erhalten Hinweise von anderen Amtsstellen. Selten erreichen uns Hinweise aus der Bevölkerung. Anhaltspunkte, welche vertiefte Abklärungen veranlassen sind beispielsweise Meldungen, die eigentlich unzulässig sind: Meldungen durch ausländische Agenturen oder Meldungen von Schweizer Agenturen, welche Hauswirtschaftspersonal anmelden, die als Haupttätigkeit aber nicht Hauswirtschaft oder Personalverleih angeben, sondern z.B. das Baugewerbe. Auch Hinweisen auf Unterbietung der verbindlichen Mindestlöhne gehen wir nach. Kontrollen erfolgen hauptsächlich schriftlich. Dabei wird das meldende Unternehmen angeschrieben und aufgefordert, diverse Unterlagen einzureichen, z.B. Nachweise über Lohnzahlungen, Sozialversicherungen, Verträge. Kontrollen vor Ort werden in Ausnahmefällen durchgeführt, und auch nur dann, wenn sich ein Verdacht (z.B. eine Person arbeitet trotz abgelehnter Meldung im Privathaushalt) nach umfangreichen Vorabklärungen erhärtet hat. Obwohl das kantonale Arbeitsinspektorat aufgrund der gesetzlichen Legitimationen grundsätzlich berechtigt wäre, Arbeitsplätze während der Arbeitszeit zu betreten, werden Kontrollen vor Ort in Privathaushalten eher zurückhaltend durchgeführt. Dies u.a. wegen fehlender Anwendbarkeit des Arbeitsgesetzes auf Privathaushalte. Häufig ist betreuungssuchenden Personen nicht bewusst, dass sie je nach Konstellation als Arbeitgebende gelten. Sie müssen entsprechend Verantwortung übernehmen oder können sich andernfalls strafbar machen – z.B. dann, wenn jemand Betreuungspersonal durch eine ausländische Agentur beansprucht, als Arbeitgebende entsprechende Sozialversicherungen nicht abrechnet oder bei ausländischem Personal keine Meldung oder Bewilligung vorliegt.
Gewerkschaften und Interessensverbände von Hausarbeiterinnen fordern, dass Privathaushalte dem Arbeitsgesetz unterstellt werden. Inwiefern wäre der Vollzug durch die kantonalen Arbeitsinspektorate mit dieser gesetzlichen Änderung geregelt?
Die Unterstellung der Privathaushalte unter das Arbeitsgesetz würde für den Vollzug Klarheit bringen. Aktuell sind Privathaushalte und Hausangestellte vom Arbeitsgesetz ausgenommen. Die Unterstellung der Privathaushalte unter das Arbeitsgesetz hätte verschiedene Auswirkungen: Hausangestellte im Privathaushalt wären unter anderem verpflichtet Arbeitszeiten aufzuschreiben, was die Überprüfung der Mindestlöhne gemäss NAV Hauswirtschaft vereinfachen würde. Aufgrund der dokumentierten Arbeitszeiten würden Nachtarbeit, Pikettzeiten und Wochenendarbeiten ersichtlich. Dies würde für den Arbeitgeber bedeuten, dass allenfalls eine Nachtarbeits- oder Sonntagsarbeitsbewilligung erforderlich und Lohnzuschläge geschuldet wären. Daneben wäre die zulässige Höchstarbeitszeit zu beachten und die gesetzlichen Ruhetage müssten eingehalten werden. Sie sehen, eine Unterstellung würde für das Arbeitsinspektorat eine gesetzliche Basis für Kontrollen schaffen.
Das Interview mit Marcel Gabathuler wurde schriftlich geführt.