Postulat von Samira Marti zur Live-in-Betreuung im Nationalrat angenommen

In einem Leitentscheid zur sogenannten 24-Stunden-Betreuung entschied das Bundesgericht vor zwei Jahren: Angestellte von Betreuungsagenturen sind dem Arbeitsgesetz unterstellt. Für Betreuerinnen, die direkt von Privathaushalten angestellt sind, gilt das Arbeitsgesetz hingegen weiterhin nicht. Mit der Überweisung eines Postulats fordert nun der Nationalrat, dass der Bundesrat Optionen aufzeigt, um Betreuungsverhältnisse in Privathaushalten dem Arbeitsgesetz zu unterstellen.

Der Leitentscheid (2C 470/2020) des Bundesgerichts besagt, dass für Live-In-Angestellte von Betreuungsagenturen das Arbeitsgesetz gilt. (siehe CareInfo-Newsbeitrag vom Februar 2022)
Für Betreuerinnen, welche direkt von Privathaushalten angestellt sind, gelten hingegen nach wie vor keine verbindlichen Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen, denn Privathaushalte sind vom betrieblichen Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes ausgenommen.
Auf diese Ungleichbehandlung bezieht sich das im März 2023 eingereichte Postulat 22.3273 «Nach dem Grundsatzentscheid des Bundesgerichtes. 24-Stunden-Betreuung durch Pendelmigrantinnen endlich dem Arbeitsgesetz unterstellen» von Nationalrätin Samira Marti.
Die Postulantin beruft sich darin auf Aussagen des bundesrätlichen Berichtes von 2015 in Erfüllung des Postulates 12.3266 von Barbara Schmid-Federer:
Der Bundesrat habe damals sechs Handlungsoptionen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Pendelmigrantinnen, die in der 24-Stunden-Betreuung arbeiten, dargelegt. Eine davon ist die Unterstellung der Tätigkeiten unter das Arbeitsgesetz. In den Ausführungen dazu argumentierte damals der Bundesrat, «dass eine Beschränkung des Arbeitsgesetzes nur auf Vermittlungs- und Verleihagenturen zu einer Ungleichbehandlung der verschiedenen Betreuungsverhältnisse in Privathaushalte führe». Eine solche Ungleichbehandlung habe der Bundesrat damals explizit ausgeschlossen.
«Mit dem neusten Grundsatzentscheid des Bundesgerichts in dieser Sache werden nun Betreuungsverhältnisse, die durch eine Verleihagentur erfolgen, dem Arbeitsgesetz unterstellt. Entsprechend muss zukünftig der Vollzug des ArG in privaten Haushaltungen gewährleistet werden. Damit dieser Entscheid Wirkung zeigt, müssen jedoch zwingend alle Betreuungsverhältnisse in privaten Haushaltungen dem ArG unterstellt werden. Wie der Bundesrat bereits festgestellt hat, ist eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Situationen inhaltlich nicht zu rechtfertigen und schafft neue Möglichkeiten zum Missbrauch», argumentiert das Postulat.

Der Bundesrat beantragte im Mai 2022 die Ablehnung des Postulats. Er begründet dies mitunter mit bereits bestehenden Regelungen: Die zwingenden Mindestlöhne für die Hauswirtschaftsbranche und den kantonalen Normalarbeitsverträge für Hauspersonal. Im Jahr 2017 forderte er die Kantone auf, ihre Normalarbeitsverträge anhand eines Modell-Normalarbeitsvertrags des SECO zu verbessern. Eine aktuelle Analyse zeige, dass etwa die Hälfte der Kantone diese nicht bindenden Vorschläge inzwischen übernommen haben. (siehe CareInfo-Newsbeitrag vom November 2019) Der Entscheid des Bundesrats, weiterhin den Kantonen die Aufgabe zu überlassen, die Arbeitsbedingungen der sogenannten 24-Stunden-Betreuung zu regeln, beruhe auf der Regulierungsfolgenabschätzung, welche im Auftrag des Bundesrats vorgenommen wurde.
«Eine weitergehende Unterstellung der privaten Haushalte unter das Arbeitsgesetz drängt sich deshalb nicht auf. Die Gründe, die damals zu ihrem Ausschluss aus dem Anwendungsbereich führten, gelten immer noch. Mit der oben genannten Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Unterstellung der Arbeitnehmenden in Dreiparteienverhältnissen unter das Arbeitsgesetz, hat sich die rechtliche Situation einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmenden zudem bereits in die von der Postulantin gewünschten Richtung entwickelt. Es bedarf daher keiner weiteren Berichterstattung», schliesst der Ablehnungsantrag.

Eine Mehrheit im Nationalrat überzeugte die Argumentation des Bundesrats offenbar nicht. Im September überwies die grosse Kammer das Postulat an den Bundesrat. Dieser ist somit beauftragt, in einem Bericht darzulegen, welche Optionen bestehen, um sämtliche Betreuungsverhältnisse in privaten Haushaltungen dem Arbeitsgesetz zu unterstellen.

Das vollständige Postulat 22.3273 finden Sie unter https://www.parlament.ch/



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